Tödlicher Unfall: Wenn die Schuld zu erdrücken droht

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Bei diesem Unfall zwischen Schwarzach und Kitzingen kam am 11. Mai 2017 eine 20-Jährige ums Leben.
Berthold Diem

Eine 55-Jährige verursachte im Mai 2017 bei Schwarzach einen tödlichen Unfall. Mit den Folgen kommt sie auch eineinhalb Jahre später nicht zurecht.

Es ist der 11. Mai 2017. Nach der Arbeit fährt die 55-Jährige kurz nach Hause, erledigt einige Dinge und macht sich dann am späten Nachmittag noch einmal auf den Weg nach Kitzingen. Auf der Staatsstraße bei Schwarzach passiert es dann: Ein Horror-Unfall scheinbar aus dem Nichts. Erinnern kann sich die Frau daran nicht. Laut Gutachten muss sich das Drama so zugetragen haben: Die 55-Jährige kracht auf den Wagen vor ihr auf, in dem eine 20-Jährige am Steuer sitzt. Durch den Anstoß schleudert der Polo auf die Gegenfahrbahn. Genau in diesem Moment nähert sich von Kitzingen kommend mit 80 Stundenkilometern ein Laster, der mit voller Wucht in die Beifahrerseite des Polo prallt. 

Die 20-jährige Fahrerin ist ohne Chance. Sie zieht sich mehrere tödliche Verletzungen zu. Nicht angeschnallt, wird sie zudem aus dem Auto geschleudert.  Der Notarzt kann nur noch Genick- und Schädelbruch feststellen. Wahrscheinlich, so vermutet es zumindest der Gutachter, hatte die Polofahrerin versucht, einen Radfahrer zu überholen. Wie es aussieht, brach sie das Überholmanöver jedoch ab. In diesem Moment muss dann auch schon die Hinterfrau aufgefahren sein, wobei der Geschwindigkeitsüberschuss wohl bei 15 bis 20 Stundenkilometern lag. Das reichte, um den Polo in den Gegenverkehr zu schleudern. 

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Wie kam es zu dem Unfall?

Den Tod eines Menschen verursacht zu haben - das lastet seither schwer auf der 55-Jährigen. Auch eineinhalb Jahre nach dem schweren Unfall ist die Frau nur ein Häufchen Elend. Fahrlässige Tötung, so steht es in der Anklageschrift. Dass die Angeklagte nicht weiß, wie es zu dem Unfall kam und was sie eigentlich falsch gemacht hat, ist nur ein Teil des Problems. Viel schlimmer noch ist: Kaum ein Tag vergeht, an dem sie sich nicht fragt, warum sie noch da sein darf, während die junge Frau aus dem Leben gerissen wurde.

Die Verteidigerin ist in diesem Fall eher als Psychologin gefragt. Aber wie will man einen Menschen trösten, der untröstlich ist. Seit dem Unfall hat sich das Leben der 55-Jährigen grundlegend geändert: Sie hadert, trauert und ist voller Selbstvorwürfe. Ihren eigenen Geburtstag kann sie nicht mehr feiern. Die Verteidigerin nutzt Begriffe wie "Wrack" und "Trauerkloß". Sie berichtet davon, dass wegen der Wesensänderung ihrer Mandantin deren Ehe in die Brüche gegangen ist. Dass Krankenhausaufenthalte und Psychologen bisher nicht weiterhelfen konnten. Neben dem Leben des Unfallopfers wurde - das zeigt die Verhandlung vor dem Kitzinger Strafrichter Peter Weiß ganz klar - ein zweites Leben zerstört.  

Vor sich weglaufen

An der Schuld, den Tod eines anderen Menschen verursacht zu haben, droht die Frau geradezu zu zerbrechen. Ihre Lebensfreude ist seit dem Unfalltag erloschen. Weil ihr ein Psychologe geraten hat, sich zu bewegen, um nicht immerzu nur zu grübeln, ist die 55-Jährige jetzt ständig unterwegs. Sie läuft immerzu. Wer das als Vor-sich-Weglaufen deutet, liegt wahrscheinlich gar nicht so verkehrt. Dass das aber nichts bringt, zeigt nicht zuletzt der Zusammenbruch während der Verhandlung: Minutenlang geht nichts mehr.    

Eine Konstante gibt es immerhin noch im Leben der Angeklagten: Sie hat es geschafft, weiterhin arbeiten zu gehen. Und genau deshalb kam es auch zu der Verhandlung am Amtsgericht: In einem Strafbefehl waren 120 Tagessätze verhängt worden. Das Problem: Sie arbeitet im öffentlichen Dienst, ab 90 Tagessätzen gibt es einen Eintrag im Führungszeugnis. Die Frau würde laut ihrer Verteidigerin Gefahr laufen, womöglich Probleme bei der Arbeit - ihrem vielleicht letzten Halt - zu bekommen.

Das Schicksal der Angeklagten - es hinterlässt bei allen Prozessbeteiligten Spuren. Die Staatsanwaltschaft spricht von "erheblichen Einschränkungen im Leben der Angeklagten" und wehrt sich nicht gegen die mildere Strafe von 90 Tagessätzen, um der Frau nicht das letzte bisschen Boden unter den Füßen wegzuziehen. Auch das Gericht verschließt sich dem nicht und verhängt am Ende die 90 Tagessätze zu je 30 Euro. Zu den 2700 Euro Geldstrafe kommt außerdem noch ein einmonatiges Fahrverbot. Vielleicht, so betonte der Richter am Ende, könnte das Urteil wie ein Schlussstrich wirken, damit die Frau doch noch mit dem furchtbaren Drama irgendwie abschließen kann.